Objekt des Monats: Vaganten Lexikon – die geheimen Zeichen der Ganoven

Objekt des Monats: Vaganten Lexikon – die geheimen Zeichen der Ganoven




















Material: Karton
Durchmesser: ca. 60 cm
Datierung: ca. 1830

Auf einer kreisrunde Scheibe werden die vier Himmelsrichtungen durch Köpfe dargestellt (oben: Europäer, rechts: Orientale, unten: Afrikaner und links: Indianer). Durch Straßen und Flüsse getrennt, werden insgesamt mehr als 1700 Gaunerzinken dargestellt.

Zu verdanken haben wir diesen seltenen und spannenden Einblick in die Welt der Kriminellen und zwielichtigen Gestalten Kajetan Karmayer. Er wurde am 03. September 1788 in Urfahr geboren und arbeitete lange Zeit in Freistadt als Syndicus (Bearbeiter von Rechtssachen) und Untersuchungsrichter. 1847 starb er im Alter von 59 Jahren in Freistadt.
Im Sammelzeitraum, der sich ungefähr von 1820-1840 erstreckte, trug er über 1700 graphische Symbole zusammen, welche die Zeichensprache der Gauner darlegen.
Angefertigt hat diese Zeichenkarte der damalige Gerichtsactuar (Gerichtsbeamter, der die Protokolle bei Verhandlungen führt) namens Frank.

Im Gaunertum hat sich eine Sprache herausgebildet, welche man nicht jedem zugänglich machen wollte. Aus diesem Grund haben sich die Zinken etabliert. Die Herkunft des Wortes Zinken ist umstritten, wahrscheinlich ist eine Bedeutung von der „rotwelschen Grammatik“ in welcher „Zincker“ für Henker verwendet wird und vor allem auf das Markieren und Aufbrennen mit glühenden Brandmarken anspielt. Zinken steht also für markieren, mit Zeichen versehen.

Damals konnten nicht alle lesen und schreiben, gerade für die Ärmeren und die bildungsferne Schicht war es notwendig sich Zeichen zu bedienen. In diesem Falle geht es um Zeichen für die Gauner. Gemeint sind hier aber nicht automatisch Rechtsbrecher und Kriminelle, sondern auch jene Gesellschaftsschichten, die durch ihre Art des Lebensvollzugs und ihre sozial niedrige Stellung in ebensolchen Verhältnissen leben wie die Gauner (z.B. Bettler, Landfahrer, Zigeuner etc.).
Wenn Karmayer und seine Helfer nicht mehr weiter wussten, befragten sie vor allem länger Verhaftete. Es existiert ein Verzeichnis über jenen, der einzelne Worte und ihre Bedeutung mit geteilt haben – meist gegen Naturalien wie zum Beispiel Schnupftabak, manchmal wurde auch der Stock eingesetzt oder erzwungenes Fasten brachte die Inhaftierten zum Sprechen.

Über diese graphische Zeichen wurde also kommuniziert – geheim und im Jargon. Verwendet wurden diese seit dem 16. Jahrhundert, um sich miteinander zu verständigen und Nachrichten mittels dieser Zeichen an Hauswänden, Mauern oder Bildstöcken zu hinterlassen.

Auch die Lage von Freistadt nahe Böhmen und Bayern machte es attraktiv für Bettler und Räuber. Somit verlief durch Freistadt eine Hauptroute der Stromer, der zusätzliche Wohlstand der Bürger machte Raubzüge ergiebig.

Neben Zeichen für einzelne fürchterliche Gesellen und Banden gibt es auch jene, die Auskunft geben, wo man Nahrung bekommt oder wen man an welcher Stelle überfallen kann:
Nr.1385 Essen und Herberge (zwei Pfannen) bei einer Bäuerin (Gabel) zu bekommen
Nr. 1222 Weinhändler, ihn überfallen und ausrauben, wenn er hier vorbeikommt.

Ausschnitt aus dem Vagantenlexikon mit Beispielen



























165 Zeichen des „Grossminzel“, eines sich für einen riechen Mann ausgeben-Ungars [sic!]
243 Zeichen des „rotzigen Leimert“
84 Zeichen des „Markel“ eines Betrügers
83 Zeichen des „Akrind“, eines gewesenen Schulmeisters

Quellen:
Vagantenlexikon, Mühlviertler Schlossmuseum Freistadt
Gross, Hanns, Die Gaunerzinken der Freistädter Handschrift, Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik, 2. Band, Leipzig 1899.